Barbara Belin

Barbara Belins «Zeitenwende»

Barbara Belin Zeitenwende

Barbara Belin arbeitet ausgehend von persönlichen Eindrücken, die sie für sich künstlerisch mit traditionellen Materialien in einer sehr subtilen, handwerklich präzisen Art und Weise umsetzt. Nach den Neuerungen der klassischen Moderne ist es heute durchaus ein Ereignis, wenn eine Künstlerin sich mit klassischen Materialien und klassischen Techniken auseinandersetzt. Interessant sind sichtbare Bezüge zu kunstgeschichtlichen Phänomenen – zur Flächigkeit mittelalterlicher Wandmalereien, zu Strukturen, die an Kirchenwände erinnern, an Reste von Fresken. All das spricht von Werden und Vergehen. Subtil gestaltete farbige Flächen der Bilder, die aus der Ferne monochrom wirken, erweisen sich bei näherer Betrachtung im Detail als überraschend vielgestaltig – und das ist so gewollt.

Bei der Installation «Inverno» (Winter, auf dem Foto links) schwingt für die Künstlerin als Inspiration eine sehr starke Sinnlichkeit mit. Wir sehen Reben im Spätherbst, die nach der Ernte beschnitten und dann gebündelt verbrannt werden. Das ergibt eine ganz besondere Atmosphäre – die Feuer, der Geruch, die Sinnlichkeit. Wird der Betrachter auf diese Inspiration hingewiesen, kann trotz der Kargheit der schlichten Zeichnungen auf Weiß, in Verbindung mit dem in schwarzes Pigment getauchten Rebbündel, ein sehr intensives Erlebnis entstehen. Diese Installation wurde speziell für die Ausstellung im Atelier der Meerkatze geschaffen. Ebenso für diese Ausstellung entwickelt wurde die Wandinstallation «Zeit und Klang». Hier wird besonders deutlich, auf welch eigene Weise Barbara Belin in ihrem Schaffen Eindrücke verarbeitet. Als Ganzes wahrgenommen, evoziert diese Installation – in sehr feinen Schwingungen, mit den Farben und Formen der unterschiedlichen Jahreszeiten – den «Klang», die «Musik» eines Jahres, das Werden, Wachsen und Vergehen… Einzelne Bilder bestehen lediglich aus auf Pappelholz verriebenem Pigment, aus dem graphische Strukturen herausradiert wurden. Diese Arbeiten, kombiniert mit reinen Farbflächen, ergeben ein komplexes und fein ausbalanciertes Ensemble, das in dieser Form nach der Ausstellung nicht wieder zusehen sein wird.

Die meisten der ausgestellten Werke sind mit reinen Pigmenten gearbeitet. Dazu gibt es einige Ölbilder. Jedoch ist die Zusammengehörigkeit aller Arbeiten evident und klar sichtbar. Auch durch die völlig andere Technik der Ölmalerei ändern sich Form und Aussage nicht. Immer bleibt die ausgeprägt eigene geistige Handschrift der Künstlerin erkennbar, umgesetzt mit hohem handwerklichen Können – und das in einer Zeit, in der die Auseinandersetzung mit Material und Technik an sich an Wert verloren hat, in der eher auf spektakulärere, größere, «schnellere» Werke geschaut wird. Die bewußte Entscheidung für die klassischen Materialien, für das kleine Format sowie für die zeitaufwendige handwerklich präzise Arbeit ist Barbara Belins Bekenntnis zur Unvergänglichkeit, gegen die Vergänglichkeit. Um diese Bilder in ihrer Zeitlosigkeit zu erschließen, braucht es Zeit, damit sie «wachsen» können. Darin besteht ihr Wert.

Bericht im Bonner General-Anzeiger vom 24.10.2015